Mário de Sá-Carneiro, der zusammen mit Fernando Pessoa die Redaktion der Nr. 2 der Zeitschrift Orpheu übernommen hatte, schrieb dieses aus seiner Pariser Zeit inspirierte Langgedicht im Mai 1915 in Lissabon, wo es im folgenden Juni in besagter Orpheu erschien. Es gab viele avantgardistische Strömungen, nicht eine, die sich in Orpheu verdichteten und Portugals Dichtung ruckartig näher an das Zentrum der Kunst heranrückten. Manucure trägt deutliche Züge der Calligrammes von Apollinaire, aber näher steht er den kubistischen, orphischen, simultaneistischen Manifesten und im Ton und im Herzen doch neben Portugals bedeutendster Stimme der Avantgarde: Álvaro de Campos, dem Autor der Triumph-Ode.
Der Autor
Mário de Sá-Carneiro (1890 —1916) war Dramatiker und Prosaautor und begann erst unter dem Einfluss Pessoas in Paris zu dichten. Ein in der Literaturgeschichte unerreichter Narziss, der im Fin-de-Siècle schwelgte und die portugiesische Moderne erschuf.
Sá-Carneiro erkannte Pessoas ästhetisches Experiment der Heteronymie als Erster und bedrängte ihn, als Dichter, als ein Balzac des 20. Jh., in die Öffentlichkeit zu treten. Er war der wohl sensibelste Vertreter seiner von Kriegen verstümmelten Generation. Sá-Carneiros Obsession war der Tod – die wirkliche Welt war ihm eine stümperhafte Erschaffung. In einem glorifizierten Selbstmord – an dem er seinen Freund in aller Brutalität teilnehmen ließ – erhöhte er den Tod zu seinem kompromisslosesten Kunstwerk.