Agustí Bartra i Lleonart (Barcelona, 1908 - Terrassa, 1982). Lyriker, Erzähler, Übersetzer und Dramaturg. Im Bürgerkrieg kämpfte er an der Front von Aragón. Nach dem Sieg der Franco-Truppen floh er nach Frankreich und war dort von Februar bis August 1939 in verschiedenen Flüchtlingslagern interniert. In Roissy-en-Brie, einem Asyl für verfolgte Intellektuelle, lernte er die Schriftstellerin Anna Murià kennen. Gemeinsam verließen sie im Januar 1940 Europa und erhielten 1941 in Mexiko politisches Asyl. Bartra nahm seine literarische Tätigkeit mit neuer Intensität auf und publizierte in Mexiko auf Katalanisch und Spanisch. Er gilt dort als einer der Hauptvertreter der katalanischen Exilschriftsteller.
Jaime Begazo, 1957 in Lima, Peru, geboren, lebt in Mamaroneck, NY. Er ist das Beispiel des hochtalentierten, produktiven Erzählers, der Anerkennung in seiner Landessprache findet, die als literarische Sprache in den USA kaum wahrgenommen wird, ein Dilemma und eine Herausforderung der ersten Übersetzung. „Zu Recht stellt sich Begazo stilistisch neben Jorge Luis Borges und Gabriel García Márquez“, befindet der Diario de Mallorca.
Für Los testigos (Die Zeugen) erhielt Jaime Begazo 2005 den XIII Premio Juan March Cencillo für den Kurzroman.
Zuletzt erschienen Nieve en Madrid und La Frontera.
Blai Bonet i Rigo (1926-1997) schrieb Das Meer als junger Mann. 1957 erhielt Bonet dafür den Premi Joanot Matorell, den seinerzeit wichtigsten Preis für unveröffentlichte Prosa. 1958 wurde der Roman nach langem Ringen zwischen Verlag und Zensur veröffentlicht.
In seinem Erstlingswerk Das Meer mit seinen klug in die Irre führenden Anlehnungen an Camilo José Cela, Thomas Mann und Franz Kafka gelang Bonet eine unerreichte Zersprengung des Erzählens, die selbst bei Camus noch die Hälfte der Emotionen gestrichen hätte. Bonet wurde neben Mercè Rodoreda und Josep Pla zu einer der bedeutendsten Figuren der katalanischen Literatur.
Margherita Carbonaro wurde 1964 in Mailand geboren und studierte dort Literaturwissenschaft und Romanische Philologie. Sie übersetzte u. a. Werke von modernen Klassikern und bedeutenden Gegenwartsautoren wie Thomas Mann, Herta Müller, Max Frisch, Hermann Hesse, Christoph Ransmayr, Terézia Mora, Ingo Schulze, Uwe Timm ins Italienische.
Sie wurde u. a. mit dem italienischen Nationalpreis für Übersetzung (Premio Nazionale per la Traduzione 2021) und mit den deutsch-italienischen Übersetzerpreis für ihr Lebenswerk (2022) ausgezeichnet.
Caterina Albert i Paradís (L‘Escala 1869 – 1966) gilt als Mitbegründerin des Katalanischen Modernismus. Zwischen 1901 und 1951 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Víctor Català zahlreiche Erzählungen, Gedichte und Romane. In ihrem Werk lotet sie die Möglichkeiten des modernen Mediums in ihrem Schreiben aus.
Manuel Chaves Nogales (Sevilla, 1897 — London, 1944). Kaum einer steht in Spanien aufrechter für das Schicksal der verfolgten spanischen Intelligenz und der Republik. Dank seiner nicht zu brechenden Liberalität führt Spanien heute einen aufgeklärten Diskurs über seine Geschichte. In Deutschland nahezu unbekannt, zählt Chaves Nogales inzwischen zu den integersten Stimmen Europas. Zwischen 1928 und 1944 verfasste er zahlreiche Werke über Frankreich, Russland und Deutschland. Franco degradierte ihn zur namenlosen Person. Er stirbt im englischen Exil und gerät in „perfekte Vergessenheit”. Sechzig Jahre nach seinem Tod wird sein Werk entdeckt.
Fernando Pessoa (1888 — 1935) erschuf eine Handvoll Heteronyme und diese eine in sich kohärente wie kontroverse Utopie. Pessoa hinterließ auch orthonyme Prosa, Texte, die seinen Namen tragen, die aber nicht weniger Scharade sind als das Gros seines unauslesbaren Werkes.
Mário de Sá-Carneiro (1890-1916) war Dramatiker und Prosaautor und begann erst unter dem Einfluss Pessoas in Paris zu dichten. Ein in der Literaturgeschichte unerreichter Narziss, der im Fin-de-Siècle schwelgte und die portugiesische Moderne erschuf.
Sá-Carneiro erkannte Pessoas ästhetisches Experiment der Heteronymie als Erster und drängte ihn, als Dichter, als eine Art Balzac des 20. Jh., in die Öffentlichkeit zu treten. Er war der wohl sensibelste Vertreter seiner von Kriegen verstümmelten Generation. Sá-Carneiros Obsession war der Tod – die wirkliche Welt war ihm eine stümperhafte Erschaffung. In einem glorifizierten Selbstmord – an dem er seinen Freund in aller Brutalität teilnehmen ließ – erhöhte er den Tod zu seinem kompromisslosesten Kunstwerk.
Der Portugiese Gonçalo M. Tavares, Jahrgang 1970, bekannt für sein Projekt O Bairro (Dt. Das Viertel), das er mit Autoren bevölkert, bricht 2016 mit seinem Begleiter, Jonathan, zu einer Entdeckungsreise der Gegenwart auf. Nach Amerika, in die USA. Mit im Gepäck, ein naiv gemaltes Porträt von Franz Kafka.
Jonathan und sein Scrivener durchqueren eine wie vor dem Abgrund stehende Kultur, die für Aphorismen wie geschaffen ist. „Wo trifft man in Amerika das 14. Jahrhundert?“ – „In Las Vegas.“ Keine erste, keine erschaffene Welt ist anzutreffen. Kafka passt nirgends ins Bild, lässt sich nicht in die Landkarte einfügen, die eine Wüste ohne geistigen Kompass zeigt.
Gonçalo M. Tavares, der Kafka nicht in sein Bairro einziehen lassen kann, bevor er in diesem Lunapark den Verschollenen findet, sprudelt Jonathans Erleuchtungen nur so hervor. Eine herrlich-gruselige Parabel auf das Land aller Verschollenen, das man am besten über Cape Canaveral verlässt.
Nach ihrem ersten Roman The Cat’s Eye (2006), der in der arabischsprachigen Welt mehrfach erschien, und für den sie 2010 den Jordanischen Staatspreis erhielt, schrieb Shahla Ujayli Persian Carpet und kam damit (2013) auf die Shortlist des Global Award for the Arab Novel [Booker Prize].
Mit ihrem dritten Roman, Unser Haus dem Himmel so nah, der es 2016 auf die Shortlist des Booker Prize schaffte, das Sujet des Frauenromans in einer Welt zu etablieren, wo ansonsten nur Männer und Söhne heldenhaft sind.
Immer wieder kehrt Shahla Ujayli in ihren Romanen nach Raqqa und Aleppo zurück, die vor den Augen des Lesers als lebendige, sprudelnde Metropolen erstehen und einen Alltag skizzieren, den die westliche Welt seit dem Exodus der syrischen Bevölkerung völlig aus dem Blick verloren hat. Den Krieg und das dadurch entstehende Chaos als primäre Lebensbedingungen zu stigmatisieren – als lebten Syrer in Friedenszeiten vorzugsweise in Zeltstädten –, diesen Blick der westlichen Welt entlarvt Shahla Ujayli durch die Auferstehung Aleppos als Sehnsuchtsort seiner Bewohner, die die Sorgen und Hoffnungen aller Menschen teilen.
Sofia Yablonska kam 1907 im östlichen Teil der Habsburger Monarchie zur Welt, in der Nähe von Lwiw, der damaligen Hauptstadt des Königreiches Galizien und Lodomerien – ein Staat, den es bald nicht mehr geben sollte.
Yablonskas Auftreten und Aussehen unterschieden sich kaum von denen der europäischen Frauen ihrer Generation, doch wollte sie ihre Herkunft und Zugehörigkeit nicht unterdrücken; diese zwangen sie zu komplexeren Antworten, begründeten aber zugleich ihre Selbstbestimmung. Sie ging nach Paris, um Schauspiel zu lernen, entdeckte weitere Horizonte und wurde als Schriftstellerin zu einer Ikone dokumentarischen Schreibens. Yablonskas Welt- und Lebensreise, die sie in mehreren Travelogues festhielt und auf zahllosen Fotografien und Filmen dokumentierte, führte sie u. a. durch Marokko, Ägypten, China, Indochina und Polynesien. Ihr fotografisches Werk hob sie in den Rang der bedeutendsten ukrainischen Ethnografin.
Ángel Crespo (1926-1995), Poet, Kritiker, Homme de lettres, war einer der besten Kenner des Werkes von Pessoa, das er seit 1957 auch mit großer Durchdringung übersetzte. Kanon sind insbesondere seine Übersetzungen Dantes und Petrarcas. Seine zahlreichen Essays über Fernando Pessoa, den bedeutendsten portugiesischen Dichter seit Camões, verband er 1988 zu einer bis heute gültigen Biografie.
Die bisher detailreichste Biografie über einen der widersprüchlichsten Autoren der Weltliteratur. Fernando Pessoa schuf ein magisches Geflecht aus Dichtern und Theoretikern und verlor sich darin. Wie aus einem zu Lebzeiten unveröffentlichten, gescheiterten Werk ein Siegeszug wurde, dazu reicht Ángel Crespo dem Leser die Schlüssel: Zu einem der aufregendsten Phänomene seit der Erfindung der Poesie.
Christiane Quandt ist Übersetzerin aus dem Spanischen und Portugiesischen, Herausgeberin sowie Redaktionsmitglied der Zeitschrift alba.lateinamerika lesen. Sie übersetzte u.a. Lucero Alanís (Das Margeritenkloster), Esther Andradi (Drei Verräterinnen) und Bernardo Carvalho (Berliner Tagebuch). Für den Kupido Literaturverlag arbeitet sie derzeit an der Übersetzung von Der Stein - Report des Mallorquiners José Carlos Llop.
Claudia Dathe übersetzt aus dem Russischen, Polnischen und Ukrainischen, u. a. Andrej Kurkow, Oleksij Tschupa, Serhij Zhadan. 2020 erhielt sie für ihre Übersetzung von Yevgenia Belorusets den Internationalen Literaturpreis. 2021 erhielt sie den 1. Staatspreis für Übersetzung (Drahomán Prize) der Ukraine.
Tobias Eisermann ist Literaturkritiker und Übersetzer aus dem Italienischen, u. a. von G. Cavalcanti, A. Busi, Erri De Luca und A. Moravia. Er arbeitet als Akademischer Rat am Kölner Petrarca Institut.
Lawrence Ferlinghetti (bei New York, 1919 – San Francisco, 2021), der sich zwar nie als Beat bezeichnete, ist doch eine der herausragenden Figuren dieser Generation und wird in einem Atemzug mit William S. Burroughs, Jack Kerouac, Alan Ginsberg, Paul Bowles, Gregory Corso genannt. 1953 gründete er in San Francisco den City Lights Pocket Bookshop, einen der legendärsten Buchläden aller Zeiten, in dem zahlreiche Werke der Beatniks erschienen. Ab 1955 veröffentlichte er 5 im Verlag seiner Buchhandlung und bei New Directions Gedichte, Prosa und Essays. Seine Writings Across the Landscape (1960-2010) waren bisher nur auszugsweise erschienen und lagen bis zuletzt als Manuskript in einem Safe. Auf Deutsch erscheinen sie als Notizen aus Kreuz und Quer, übersetzt von Pociao
Lawrence Ferlinghetti starb im Februar 2021 im Alter von fast 102 Jahren. Im berühmten Café Brazileira notierte er 1986 „If Joyce was the poet of Dublin and Kafka the poet of Prague, Pessoa is certainly the poet of Lisbon”, und man muss dies fortsetzen: „Ferlinghetti is certainly the poet of San Francisco”, wo an jedem 24. März, seinem Geburtstag, der Lawrence Ferlingehtti Day gefeiert wird.
Frank Henseleit (geboren 1964) ist Autor und Verleger. Er übersetzt aus dem Spanischen, Portugiesischen und Katalanischen, u.a. Manuel Chaves Nogales, Jorge Luis Borges, Ángel Crespo, Fernando Pessoa, Mário de Sá-Carneiro und Joan Brossa.
Warme Socken! Warum wir kein Gas brauchen, überhaupt keines... aber Freiheit!
Теплі шкарпетки! Чому нам не потрібен газ, і то в принципі... а потрібна свобода!
Vicente Huidobro, 1883 in Santiago de Chile geboren, war ein avantgardistischer und transatlantischer Dichter. Er stammt aus wohlhabendem Haus und kannte bereits als Kind die zeitgenössische europäische, vor allem die französische Dichtung. Seit 1916 in Paris, beeinflusste er die Avantgarde, verfasste einflussreiche Manifeste wie NON SERVIAM, in dem es heißt: „Der Poet erhebt sich und ruft der Natur zu: WIR DIENEN NICHT“. Huidobro beschreibt die Dichtung als genuin kreativen, als „von der Natur unabhängigen“ Prozess. Huidobro formulierte Techniken der Visuellen Poesie, des Dadaismus, des Kubismus, um nur die bekanntesten Strömungen zu nennen. Wie viele „Transatlantiker“ oszilliert sein Ruf als Dichter zwischen Genialität und Plagiat. Für seinen Kreationismus mit allen, die Rang und Namen in Frankreich, Spanien und Südamerika bekannt, war er, wenig überraschend, mit ebenso vielen als Erfinder des literarischen Kubismus und Simultaneismus verfeindet.
Huidobro kompilierte 7 Gedichtbände in der Ästhetik des Kreationismus, seine späteren Gesänge eines stürzenden Fallschirmspringers, „Altazor“, gilt als ein Meisterwerk avantgardistischer Dichtung.
In den 1920er Jahren kam er mit dem Stummfilm in Berührung und schrieb das hoch-prämierte Drehbuch zu „Cagliostro“, das er bis 1931 in einen Film-Roman umschrieb.
Caglisotro und Huidobro besitzen darin, ob gewollt oder ungewollt, Überschneidungen, der Autor spielt darin mit der Simultaneität von Aufklärung und Okkultismus: hier Caglisotros Aufstieg als Metapher eines okkulten Verführers der Eliten, dort Huidobro, der als rationaler Poet die Kunst umstürzen will.
Politisch positionierte sich Huidobro gegen alles Antiliberale. Bei der Befreiung Europas von den Nazis wurde er im Gefecht verletzt. 1948 starb er in Chile an den Spätfolgen seiner Verletzung.
José Carlos Llop (1956, Palma de Mallorca), schreibt sich seit seinem Debüt in den frühen 1990er Jahren als Poet und Prosaist in den Rang eines Llorenç Villalongas und gilt heute mit seinen Tagebüchern als maßgeblicher Chronist Mallorcas. Seine Novellen und Romane wurden international vielfach prämiert. Der 1995 erschienene Der Bericht ›Guillermo Stein‹ erhielt 2008 den Prix Écureuil de Littérature Étrangère für den besten in Spanien publizierten Roman.
Olena Haleta ist Professorin für moderne und zeitgenössische ukrainische Literatur an der Nationalen Ivan-Franko-Universität Lwiw und Mitglied des ukrainischen PEN. Sie erforscht die Literatur des späten 19. bis frühen 20. Jahrhunderts, wobei ihr aktueller Fokus auf dem Vergleich fiktionalen und dokumentarischen Schreibens liegt.
Roksolana Sviato ist Literaturkritikerin und lebt in Kyjiw. Sie übersetzt aus dem Englischen, Polnischen
und Deutschen, u. a. Slavenka Drakulić, Timothy Snyder, Janusz Korczak, Karl Jaspers, Melinda N. Abonji, Hertha Kräftner, Marta Hillers (Anonyma), derzeit: N. Haratischwili (Das achte Leben).
Xavier Pla (geboren 1966) ist Literaturkritiker und Professor für zeitgenössische katalanische Literatur in Gerona, wo er den Josep-Pla-Lehrstuhl innehat. Er schrieb Bücher u.a. über Eugenio d’Ors, Eugeni Xammar, Marcel Proust, Claudio Magris und arbeitet derzeit an der Biografie von Josep Pla.